Liebe Leser*innen,
im Sommer hat der Bundestag meist mehrere sitzungsfreie Wochen am Stück, die zusammen parlamentarische Sommerpause genannt werden. Doch dieser Sommer ist anders. Nicht nur, weil an seinem Ende im September wichtige Wahlen anstehen. In Folge der Hochwasserkatastrophe vor wenigen Wochen war der Verkehrsausschuss zu einer Sondersitzung im Juli zusammengetreten. Vergangene Woche tagte das Plenum zur katastrophalen Lage in Afghanistan, zu einem Aufbauhilfegesetz für die Opfer der Flutkatastrophe und zur Verlängerung der epidemischen Lage aufgrund der Covid-19-Pandemie. Gestern berieten wir in weiteren Sondersitzungen verschiedener Ausschüsse über das Flut-Aufbauhilfegesetz. Im Ausschuss haben wir dem Aufbauhilfegesetz zugestimmt, damit die Infrastruktur schnell wieder hergestellt werden kann. Allerdings habe ich Fragen und Kritik formuliert, die Staatssekretär Ferlemann teils bestätigt hat: so sollen Straßen durchaus breiter wieder hergestellt werden, wenn auch keine zusätzlichen Fahrspuren kommen. Bei Straße wie Schiene ist eine Verlegung der Trasse in räumlicher Nähe möglich (und kann auch sinnvoll sein), eine zumindest kursorische Wasser- und Naturschutz fachliche Prüfung wollte der Staatssekretär aber nicht zusagen. Vor Ort wird also genau hinzuschauen sein.
Soweit von mir, viel Spaß beim Lesen,
Stefan Gelbhaar
Lastenradförderung
Seit Jahren fordern wir ein Förderprogramm zum Kauf von Lastenfahrrädern. Dabei sollen neben gewerblichen Lastenfahrrädern auch Lastenräder für Vereine, gemeinnützige Organisationen, Initiativen oder z.B. Hausgemeinschaften gefördert werden. Auch für Privatpersonen soll der Kauf von Lastenfahrrädern gefördert werden. Schwerpunkt dabei muss auf Anträgen von Menschen liegen, die sich ohne Förderung kein Lastenfahrrad leisten können und die sich dieses anstelle eines Autos anschaffen wollen. Wie die Förderbedingungen im Detail aussehen werden, steht noch nicht fest - das ist dann Regierungsarbeit. Unter dem #Lastenrad hat die Netzöffentlichkeit das in den vergangenen Wochen schon mal diskutiert.
Auto-Wahlkampf? SPD sabotiert Verhandlungen zum Mobilitätsgesetz
Das Berliner Mobilitätsgesetz von Rot-Rot-Grün ist von Beginn an steter Quell von Diskussion und Beobachtung und Entwicklung. In der letzten Woche nun sind gleich zwei Dinge passiert. Der letzte Teil des Gesetzes - zu neuer Mobilität - kommt nicht mehr in dieser Legislatur des Abgeordnetenhauses. Damit wird unter anderem kein Konzept zur Parkraumbewirtschaftung beschlossen, auch wird die rechtliche Grundlage für eine Datenplattform zur datenbasierten Verkehrslenkung nicht geschaffen. Mehr Grünflächen, Fahrradbügel oder Mikro-Hubs durch die Umwidmung von Parkplätzen - auch das ist damit erstmal zurück in der Schublade. Die r2g-Koalition konnte sich auf den letzten Metern nicht verständigen. Gemunkelt wird, dass die Verhandler der SPD zurück gepfiffen wurden - Wahlkampf. Das passt zu den Signalen, die die Spitzen der SPD in den letzen Tagen und Wochen gesendet hat: lieber mehr Autobahn als Mobilitätswende.
Zugleich wurde in dieser Woche das Mobilitätsgesetz wissenschaftlich in seiner Wirkung und Umsetzung begutachtet - und als nachahmenswert empfohlen. Das freut mich persönlich, da insbesondere der erste Teil zum Radverkehr im Fokus der Analyse stand - und macht den Rückwärtssalto von Teil der Berliner r2g-Koalition umso unverständlicher.
Langlebigkeit von E-Fahrrädern
Umwelt und Klima werden nicht allein damit gerettet, dass wir alle ein E-Fahrrad und ein E-Auto kaufen. Wirklich wertvoll sind E-Autos dann, wenn sie Verbrennerautos ersetzten, (E-)Fahrräder, wenn sie Autofahrten oder ganze Autos ersetzen und beides besonders dann, wenn sie lange genutzt werden können. Dafür müssen sie so qualitativ hochwertig gebaut werden und so, dass sie einfach und lange reparierbar sind. Ersatzteile müssen auch nach Jahren oder Jahrzehnten noch verfügbar sein. Viele Hersteller*innen von E-Fahrrädern arbeiten bereits daran, dass das so ist. Doch wir Bündnisgrüne fordern, dass das Standard wird - für alle Elektrogeräte, also auch für E-Fahrräder. Die Bundesregierung findet das Thema nicht wichtig und konzentriert sich im Verkehrsbereich lieber auf die Aufweichung von CO2-Grenzwerten als auf Umweltschutz (siehe Antwort auf meine Schriftliche Frage).
Schluss mit dem Diesel: Antriebswende im Güterverkehr muss an Tempo gewinnen
Am Montag, den 23.8. war ich eingeladen bei einer Veranstaltung des BGL über die Herausforderungen einer Antriebswende im Güterverkehr zu sprechen. Leider hat die Bundesregierung diese bisher herzlich wenig priorisiert. Durch die Abwrackprämie für Lkws sind mit insgesamt 60 Millionen Euro fast nur Diesel-Lkw gefördert worden, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion hervorgeht. Kein Wunder also, dass heute nur 1 Prozent der Lastwagen im Güterverkehr in Deutschland vollelektrisch unterwegs sind. Dabei könnten ein großer Teil der Strecken bereits heute mit Elektro-Lkws zurückgelegt werden, denn 4 von 5 Strecken sind mit unter 100 Kilometern für heutige E-Lkws keine Herausforderung mehr. Laut einer Studie der Brüsseler NGO Transport & Environment wird der Elektroantrieb auch für schwere Lkw im Fernverkehr bereits in wenigen Jahren - etwa um 2025 - wettbewerbsfähig sein. Das bedeutet: Der Elektroantrieb wird sich sehr viel schneller als gedacht auch im Güterverkehr durchsetzen. Die fehlende Investitionssicherheit bleibt damit das größte Hindernis. Das Verkehrsministerium muss die nächste Legislaturperiode endlich dafür nutzen, die Weichen für eine Antriebswende der Branche zu stellen.
Bilanz: 4 Jahre im Bundestag
2017 wurde ich als Abgeordneter in den Bundestag gewählt und habe mir zur Aufgabe gemacht, für eine solidarische und ökologische Mobilitätswende zu arbeiten - in den Städten und auch auf dem Land. Ein erster Erfolg war es, dieses Thema auf die bundespolitische Agenda zu setzen. Mehr dazu in meiner etwas ausführlich geratenen Bilanz der vergangenen vier Jahre.